Pestizide könnten Verursacher des gefürchteten Rinderwahnsinns BSE sein, nicht aber an Rinder verfüttertes Kraftmehl aus an Milzbrand verendeten Schafen. Der britische Landwirt Mark Purdey glaubt, diese neue Theorie schlüssig beweisen zu können. Ein mysteriöser Unfall geschah kürzlich. Der Tierarzt und der Rechtsanwalt, die Purdey bei seinen Untersuchungen unterstützt hatten, kamen ums Leben, als ihr Auto ohne erkennbare Gründe außer Kontrolle geriet. Dann spielten sich andere seltsame Dinge ab. Ein Fremder kaufte das Grundstück neben Purdeys Farm, hetzte seine acht Doberman-Hunde auf dessen Kühe und feuerte Schüsse in Richtung seines Nachbarn ab.
Als Purdey sich bei der Polizei beschwerte, sagte diese, so erzählt er: "Sie wissen doch, daß Leute bezahlt werden, sich so zu benehmen? Sie waren doch derjenige, der mit dem Pestizidfall vor Gericht ging." Als Purdey wegzog, schrieb der geheimnisvolle Nachbar sein Grundstück zum Verkauf aus. Purdey kamen Zweifel Die offizielle ~l~heorie für den Rinderwahnsinn leuchtete Purdey nicht ein.
Warum, so fragte er sich, sind in den letzten 200 Jahren relativ wenige Fälle von Milzbrand aufgetreten, während BSE plötzlich epidemische Ausmaße annahm? Zum direkten Konflikt mit der Lehrmeinung kam es, als das Landwirtschaftsministerium von ihm verlangte, alle seine Kühe mit einem organo-phosgenen Insektizid gegen Stechfliegen zu behandeln. Er weigerte sich und gewann einen Prozeß gegen die Regierung. Purdey untersuchte die Anwendung von OP und stellte fest, daß die BSE-Symptonie Nervosität, Angst und unkontrollierte Bewegungsablaufe denen von chronischer OP-Vergiftung gleichen. Die größte Konzentration von BSE gab es, wie er weiter entdeckte, in am stärksten von Stechfliegen befallenen Gegenden. Der japanischer Experte für OP, Professor Satoshi Ishikawa, bestätigte seine Theorie.
Weitere Beweise glaubt der Landwirt darin zu sehen, daß auch Tausende Rinder an BSE erkrankten, die nie verseuchtes Futter erhielten. Amerikanische Forscher haben Futter aus an Milzbrand erkrankten Schafen an Rinder verfüttert, ohne daß diese sich BSE zuzogen. Erhitzte Diskussionen Purdeys Theorien haben in Landwirtschaftskreisen erhitzte Diskussionen ausgelöst.
Der Ex-Minister Tom King vertrat in einem Schreiben an den Landwirtschaftsminister die Meinung, Purdeys Erkenntnisse sollten ernsthaft geprüft werden. Das führte zu einer Zusammenkunft von Beamten des Ministeriums mit dem Landwirt. Purdey veröffentlichte seine Theorie in ökologischen und medizinischen Fachzeitschriften. Er trat mit einem TV-Publizisten in Verbindung, der über den spanischen Speiseöl-Skandal berichtet hatte. Die tödliche Erkrankung der Konsumenten des giftigen Öls wurde durch organophosgene Pestizide verursacht. l)ie Symptome ähneln denen von BSE.
Diese Pestizide waren nur in GB und Schweiz vorgeschrieben - genau da wo die Kühe erkrankten.
Sind Insektizide die Ursache für BSE?
Wissenschaftler vermuten, dass Organophosphate den Ausbruch der Rinderseuche beschleunigt haben Von Ralf Krauter
Taunton ? Wie die Rinderseuche BSE entstanden ist, darüber streiten die Experten noch heute. Nicht alle sind von der Prionentheorie überzeugt. 1996 veröffentlichte der britische Biobauer Mark Purdey eine eigene Theorie über den Ursprung von BSE: Toxische Chemikalien, so genannte Organophosphate, die als Insektizide in der Landwirtschaft eingesetzt werden, sollen eine entscheidende Rolle beim Ausbruch der Rinderseuche gespielt haben. Diese Schädlingsbekämpfungsmittel, so Purdeys These, hätten den Organismus der Tiere geschwächt, so dass eine bereits latent vorhandene Rinderkrankheit in eine Epidemie umschlagen sei.Organophosphate sind eine Gruppe hochgiftiger Substanzen.
Eine von ihnen wird unter dem Handelsnamen Phosmet in der Agrochemie eingesetzt, als Insektenvertilgungsmittel zum Schutz von Pflanzen und Tieren. 1985, kurz vor dem Ausbruch von BSE, zwang die britische Regierung alle Rinderbauern des Landes per Gesetz, ihre Tiere regelmäßig mit Phosmet zu behandeln. Auf diese Weise sollte die Dasselfliege bekämpft werden, ein Parasit, der bis zu neun Monate in Kühen nistet. Die Phosmet-Präparate werden aufs Rückgrat der Rinder geträufelt, dringen in den Körper ein und zerstören das Nervensystem der Dasselfliege. Purdey glaubt, dass bei dieser Behandlung auch die Nerven von Embryonen im Mutterleib angegriffen werden. Und zwar derart, dass dadurch letztlich die krankhaft gefalteten infektiösen Prionproteine entstehen, die heute als Erreger des Rinderwahns gelten.Als Reaktion auf seinen Artikel erntete der Ökofarmer Spott und Ablehnung.
Unisono kanzelten ihn die BSE-Experten als Spinner ab. Dabei erklärte Purdeys Phosmet-Theorie zwei Dinge, die bis heute völlig offen sind. Erstens: Warum brach BSE gerade 1985 aus? Warum nicht schon früher oder später? Und zweitens: Warum war BSE vor allem ein britisches Problem? 99 Prozent aller BSE-Fälle wurden jenseits des Ärmelkanals registriert ? obwohl britisches Tiermehl in ganz Europa verfüttert wurde.Im Juni 1998 kam der wissenschaftliche Beirat der EU-Kommission zu dem Schluss, Purdeys Theorie sei wissenschaftlich nicht belegt. Es gebe keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen BSE und Phosmet. Nach diesem hatte bis dahin aber auch noch niemand gesucht. Die staatlichen Fördergelder für die BSE-Forschung flossen in andere Projekte.
Und das blieb so ? obwohl es Hinweise zu Gunsten der Phosmet-Theorie gab.Tierversuche hatten belegt, dass Phosmet schwere neurologische Schäden hervorrufen kann, die den bei BSE beobachteten ähneln. Ein Neurobiologe der Universität London untersuchte, wie Phosmet auf Nervenzellen wirkt und stellte fest, dass Phosmet eine Anreicherung von Prionmolekülen auf der Zelloberfläche bewirkt. Als alleinige Ursache von BSE kommt das Insektizid zwar nicht infrage. Doch es kann Tiere anfälliger für die Krankheit machen.Die Ergebnisse der britischen Studie wären allemal Grund genug, eingehende Untersuchungen zu machen, findet Sievert Lorenzen, Zoologe an der Universität Kiel. Dass damit nicht schon lange begonnen wurde, findet er bezeichnend. "Es gibt sicher mächtige Interessen, die eine Aufklärung der Wirkung von Phosmet mit allen Mitteln verhindern wollen."
http://www.welt.de/print-welt/article429496/Sind-Insektizide-die-Ursache-fuer-BSE.html