Große Steuerabzocke wird generalstabsmäßig vorbereitet
Michael Brückner
Die Austrocknung der Steueroasen, die peinlichen Hoeneß-Inzenierungen, die Pogromstimmung gegen Steuerhinterzieher, der Kampf gegen Steuerwettbewerb – all dies ist Teil eines geradezu generalstabsmäßigen Plans zur großen Abzocke. Viele Menschen feixen, wenn es millionenschweren Hinterziehern an den Kragen geht. Was sie nicht wissen: Ihnen selbst geht’s bald ans Portemonnaie.
Vor wenigen Tagen wurden die gebührenzahlenden Zuschauer (bzw. Zuseher in Österreich) von ihren Sendeanstalten ZDF und ORF mit einem der wohl langweiligsten Streitgespräche der letzten Jahre gequält. Wobei es kein wirkliches Streitgespräch war, was da die beiden Spitzenkandidaten von Sozialisten und EVP zur Europawahl zum Besten gaben. Martin Schulz drosch mit Vorliebe auf
»Populisten« ein, vor allem, wenn es um angebliche »Rechtspopulisten« ging, doch selbst bot er nichts anderes als Mainstream-tauglichen Gutmenschen-Populismus. Sein Gegenspieler, wenn wir ihn mal so nennen wollen, pflichtete weitgehend bei: Jean-Claude Juncker wirkte müde – ebenso wie sein Wortwitz, mit dem er die gähnenden Zuschauer am Einschlafen hindern wollte.
Nur einmal, ein einziges Mal, wurde die Diskussion ein wenig lebhafter. Juncker hatte gerade genuschelt, auch künftig müsse es Steuerwettbewerb in Europa geben. Da echauffierte sich der fürstlich entlohnte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz so richtig. Er sei absolut gegen einen Steuerwettbewerb.
Steuerbürger, hört die Signale. Das Polit-Kartell bereitet generalstabsmäßig eine noch nie dagewesene Abzocke vor. Genau genommen ist es eigentlich eine Abzocke 2.0, denn seit Geld nichts mehr wert ist (jedenfalls, wenn dieser Wert in Zinsen bemessen wird), verlieren die Sparer Jahr für Jahr an Kaufkraft. Und nun wollen Schulz und Konsorten den Steuerwettbewerb abschaffen. Doch überall dort, wo Wettbewerb abgeschafft wird, entstehen Kartelle. Im konkreten Fall also Abzocker-Kartelle.
Wir brauchen steuerlichen Wettbewerb. Nie war er wichtiger als heute. Ganz egal, wie viel Geld in die Kassen des Staates gespült wird, für die Politiker reicht es nie. Denn mit steigendem Steueraufkommen wachsen zwangsläufig die Begehrlichkeiten.
Mit großzügigen Geschenken an die jeweilige Wählerklientel versucht die politische Klasse, ihre eigene Existenz – sprich: Wiederwahl – zu sichern. Steuerwettbewerb kann zumindest verhindern, dass die staatlichen Abzocker den Bürgern allzu ungeniert in die Taschen greifen. Auch die viel gescholtenen Steueroasen übten in der Vergangenheit einen mäßigenden Einfluss auf die Fiskal-Gier aus.
Deshalb galt es zunächst, diese so genannten Oasen gezielt auszutrocknen. Hierbei waren vor allem die US-Behörden behilflich, deren Methoden gegenüber den Banken der inkriminierten Staaten man getrost als erpresserisch bezeichnen darf. Sodann wurden den Bürgern millionenschwere Steuerhinterzieher vorgeführt, die sich vom Bundespräsidenten schon mal als Schmarotzer diffamieren lassen mussten. Die Rechnung ging auf – ob Zumwinkel oder Hoeneß, regelmäßig entstand in den Medien und in den einschlägigen Internetforen eine regelrechte Pogrom-Stimmung gegen Steuerhinterzieher. Nur in der Causa Alice Schwarzer gab sich die Meute etwas moderater.
Nun also folgt der nächste Schritt, wiederum bejubelt von den gehätschelten Sozialstaatsprofiteuren, die mittlerweile in der Mehrheit und daher wahlentscheidend sind. Künftig soll es also keinen Steuerwettbewerb mehr geben. Das Abzockerkartell kann nach Belieben zuschlagen.
All jene aber, die solchen populistischen Parolen auf den Leim gehen und sich die Hände reiben, wenn einer wie Hoeneß in den Knast muss, sie alle sollten sich nicht täuschen. Dem Abzocker-Kartell geht es nicht vorrangig um die »Hoeneße« dieser Welt. Es geht nicht um die Millionen der Hinterzieher, sondern um die Milliarden der steuerehrlichen Bürger. Abgezockt werden zum Beispiel die Tarifbeschäftigten in der Metallindustrie und in der Chemiebranche, die heute schon den Spitzensteuersatz zahlen.
Wer etwa ein Drittel mehr verdient als der Durchschnitt, muss bei jeder Gehaltserhöhung den Spitzensteuersatz entrichten. Einem Single mit etwas überdurchschnittlichem Einkommen bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben von jedem verdienten Euro gerade einmal 50 Cent. Nur der belgische Fiskus ist noch gieriger.
Immer mal wieder kommt die Diskussion über die »kalte Steuerprogression« auf. Natürlich ist es ein Skandal, wenn ein Arbeitnehmer nach einer Gehaltserhöhung wegen gestiegener Steuern weniger Geld hat als zuvor. Aber die Politiker – steuerlich in vielen Fällen begünstigt – stört das wenig. Stereotyp heißt es dann, es gebe keine »Spielräume« für Steuersenkungen. Keine Spielräume? Gerade stellte der Arbeitskreis Steuerschätzung fest, dass die Steuereinnahmen Deutschlands in den nächsten Jahren viel stärker ausfallen werden als bisher geplant. Bis 2018 dürfen sich die öffentlichen Etatverwalter gegenüber der Prognose vom November vergangenen Jahres über zusätzliche Mehreinnahmen von 19,3 Milliarden Euro freuen.
Das Geld sei schon verplant, sagen die Finanzminister. Wie bitte? Wie kann man Geld schon verplanen, von dem man vor der jüngsten Steuerschätzung noch gar nicht wusste, dass es zusätzlich in die Staatskassen fließen könnte?
Doch längst geht es nicht mehr nur um die Einkommensteuer. Auch die deutschen Kommunen zocken kräftig ab. So wurde seit 2010 in 60 Prozent aller Städte und Gemeinden die Grundsteuer deutlich angehoben. Rund zehn Milliarden Euro verdienen Deutschlands Kommunen Jahr für Jahr an der Grundsteuer B. Und die Erhöhung wäre wohl noch drastischer ausgefallen, wenn es nicht so eine Art Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen gäbe. So zahlt ein Immobilienbesitzer im hessischen Fulda deutlich weniger als in dem nicht allzu weit entfernten Rüsselsheim.
Wer Beifall klatscht, wenn bestimmte Politiker wieder einmal das Ende des Steuerwettbewerbs fordern, muss wissen, dass damit der ungenierten Abzocke Tür und Tor geöffnet werden.
»Der einzige Weg, um das Verhalten der Politiker zu ändern, ist, ihnen das Geld wegzunehmen«, stellte einmal der US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman goldrichtig fest. Da aber wenig wahrscheinlich ist, dass sich Politiker jemals Geld wegnehmen lassen, bleibt nur ein Weg: Die Bürger sollten verhindern, dass ihnen noch mehr Geld weggenommen wird. Zum Beispiel, indem sie nicht auf die Propaganda des Abzocker-Kartells hereinfallen.
Pommes-Prügler